Ist die befähigte Person, die die Sicherheit elektrischer Betriebsmittel prüft, auch für deren fehlende Sicherheit nach Stand der Technik verantwortlich?
(Bild: Dreef/stock.adobe.com)
Frage: Muss die befähigte Person, die ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel auf deren elektrische Sicherheit prüft, jede aktuelle Produktnorm jedes elektrischen Arbeitsmittels kennen? Ich sehe besonders Probleme bei älteren Geräten, die nach damaligen Produktnormen hergestellt wurden und nicht den aktuellen Forderungen an die Sicherheit der Arbeitsmittel entsprechen. Ich möchte das Beispiel „Winkelschleifer“ anführen. Heute enthält die dafür entsprechende Norm Anforderungen für einen Wiederanlaufschutz. Sicherlich gibt es aber in Betrieben noch alte Winkelschleifer, die dieser Norm nicht entsprechen und weiterhin genutzt werden. Wer ist bei einem geprüften elektrischen Gerät für die fehlende Sicherheit nach Stand der Technik verantwortlich? Wer haftet im Schadenfall?
Antwort: Diese Frage wird in vielen meiner Seminare gestellt. Ich lese dann aus der TRBS 1203 [1] einen Teil des Abschnitts 2.3 vor: „Die befähigte Person muss über Kenntnisse zum Stand der Technik hinsichtlich des zu prüfenden Arbeitsmittels und der zu betrachtenden Gefährdungen verfügen und diese aufrechterhalten. Sie muss mit der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und deren technischem Regelwerk sowie mit weiteren staatlichen Arbeitsschutzvorschriften für den betrieblichen Arbeitsschutz (z. B. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und deren technischen Regelwerken sowie Vorschriften mit Anforderungen an die Beschaffenheit (z. B. Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), einschlägige Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSV), mit Regelungen der Unfallversicherungsträger und anderen Regelungen (z. B. Normen, anerkannte Prüfgrundsätze) soweit vertraut sein, dass sie den sicheren Zustand des Arbeitsmittels beurteilen kann.“
Der Gesetzgeber verlangt, dass sich die befähigte Person wirklich mit dem auskennt, was sie prüft. Dies wird im Abschnitt 2.2 auch deutlich: „Berufserfahrung setzt voraus, dass die befähigte Person eine nachgewiesene Zeit im Berufsleben praktisch mit den zu prüfenden vergleichbaren Arbeitsmitteln umgegangen ist und deren Funktions- und Betriebsweise im notwendigen Umfang kennt [...] Berufserfahrung schließt ein, beurteilen zu können, ob ein vorgeschlagenes Prüfverfahren für die durchzuführende Prüfung des Arbeitsmittels geeignet ist. Hierzu gehört auch, dass die Gefährdungen durch die Prüftätigkeit und das zu prüfende Arbeitsmittel erkannt werden können.“
Natürlich kann dieses Wissen nicht einfach so vom Himmel fallen – jede befähigte Person kann nur die Arbeitsmittelgruppen prüfen und bewerten, die sie auch kennt und auf die sie auch eingearbeitet ist. Eine befähigte Person für alle Geräte im Anwendungsbereich der DIN VDE 0701-0702 (VDE 0701-0702)[2] gibt es nicht.
Eine befähigte Person, die jahrelang auf Bürogeräte eingearbeitet ist, kann nicht aus dem Stand heraus für die Prüfung von Baugeräten eingesetzt werden.
Allerdings kann auch die beste befähigte Person nicht unbedingt auf den Blick in die Bedienungsanleitung oder auf die Rücksprache mit der VEFK oder ggf. mit dem Hersteller von Geräten verzichten. Bei einer Erstprüfung nach BetrSichV, also einer Prüfung vor erstmaliger Verwendung nach DIN VDE 0701-0702 (VDE 0701-0702)[2] muss ja auch bestätigt werden, dass das Gerät für die vorgesehene Verwendung geeignet ist. Da hilft bei vielen Gerätegruppen nur der Blick in die Bedienungsanleitung des Herstellers. Ganz klassische Beispiele sind hier Wasserkocher und Kaffeemaschinen, die für die „Verwendung in gewerblichen Bereichen zugelassen“ sind oder mindestens für die „Verwendung in haushaltsähnlichen Bereichen zugelassen“ sind. Diese Information ist nur in der Bedienungsanleitung oder auf der Webseite der Hersteller zu finden.
Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass die befähigte Person auch die Produktnormen im Detail kennen muss.
Das Beispiel des Anfragenden mit dem Winkelschleifer greife ich auch gerne auf. Seit 2007 mit Übergangsfrist bis 2009 müssen alle neuen „großen“ Winkelschleifer bereits mit einem Wiederanlaufschutz ausgerüstet sein, seit 2015 gilt dies auch für die Kleineren. Dies ist jedoch eine Umsetzung von schon lange bekannten Mindestanforderungen für Arbeitsmittel, die schon in der Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV) und später in der BetrSichV von 2002 in den Anhängen und jetzt im Text der BetrSichV 2015 [3] zu finden sind. Hier wird im § 8, Schutzmaßnahmen bei Gefährdungen durch Energien, Ingangsetzen und Stillsetzen, die grundsätzliche Anforderung gestellt: „(4) Arbeitsmittel dürfen nur absichtlich in Gang gesetzt werden können. Soweit erforderlich, muss das Ingangsetzen sicher verhindert werden können [...]“.
Die VEFK/der Betreiber geben die Spielregeln vor und übernehmen dafür natürlich auch die Verantwortung. Auch die Möglichkeit „Alt-Geräte dürfen ohne weitere Maßnahmen weiter verwendet werden“ könnte die VEFK/der Betreiber vorgeben – auf eigene Verantwortung versteht sich.
Gibt es jedoch in einem Betrieb keine VEFK, dann ist der Betreiber (also der Unternehmer) derjenige, der die Spielregeln vorgibt. Dann empfiehlt sich ein schriftlicher kurzer Vermerk, dass dies so besprochen wurde. Genau das Gleiche gilt übrigens auch für die Vorgabe der Prüffristen.
Die befähigte Person, die die Geräteprüfung durchführt, hat hier natürlich auf mögliche Verbesserungspotentiale hinzuweisen. Die Entscheidung, was mit nicht-aktuellen Geräten passiert, liegt jedoch beim Betreiber.
[1] TRBS 1203 Befähigte Personen Ausgabe: März 2010 geändert und ergänzt: GMBl 2012 S. 386 [Nr. 21].
[2] DIN VDE 0701-0702 (VDE 0701-0702):2008-06 Prüfung nach Instandsetzung, Änderung elektrischer Geräte – Wiederholungsprüfung elektrischer Geräte – Allgemeine Anforderungen für die elektrische Sicherheit.
[3] Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV), Ausfertigungsdatum: 03.02.2015 (BGBl. I S. 49), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz 7 der Verordnung vom 18. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3584).
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