Nach Betrachtung der seit 1998 gebauten MX Motoren gibt es doch eine beachtliche Anzahl an außergewöhnlichen Motoren.
Der erste Motor mit verdrehtem Kopf (Einlaß vorne Auslaß hinten) wurde von der Fahrradschmiede CANNONDALE entwickelt und gebaut.
Der nächste kam von VOR, ein 250ccm 4 Takt, mit verdrehtem Kopf und nach hinten geneigtem Zylinder (nahezu ident mit den heutigen Yamahas), es wurden allerdings nur Prototypen gebaut im Jahr 2000.
Dann kam die Husabergs 2008 mit dem 70° Grad Motor, zuerst der Prototyp aus Schweden und der daraus entstandene Serienmotor. Danach kam die YZF 450 Yamaha 2010 mit einem verdrehtem Kopf und einem nach hinten geneigtem Zylinder.
Zu erwähnen ist noch die 250er Vertemati von 2010 (leider bis jetzt nur ein Konzept) mit einem radikalen Hub/Bohrungsverhältnis, und ebenso wie die Yamaha mit einem verdrehtem Kopf und nach hinten geneigtem Zylinder.
All diesen Konzepten gemein ist der Versuch den Motor so kompakt wie möglich zu bauen. Prinzipiell ist es gut wenn der Motorschwerpunkt in die Nähe des Motorradschwerpunktes gelangt. Und jetzt kommt der wirkliche spannende Punkt, die Lage der Kurbelwelle im Fahrzeug, jetzt beginnen die Mythen und Geschichten, da drehende Teile ein Trägheitsmoment besitzen und auf Richtungs- bzw. Winkeländerungen mit einem Gegenmoment reagieren.
Generell kursieren Gerüchte, dass Kurbelwellen von hubraumschwachen Motoren geringe Trägheitsmassen besitzen und sich deshalb (wie z.B. 125er 2 Takt Bikes) sehr leicht in Kurven legen lassen, weil das Gegenmoment gering ist. Wenn man wie zum Bsp. bei der 70° Husaberg die „schwere“ Kurbelwelle in eine Position bekommt, in der die Auslenkung bzw. Bewegung gering bleibt, dann sollte sich ein hubraumstarkes Motorrad wie eine 125er anfühlen und fahren lassen. Genau diese Idee verfolgt das 70° Husaberg Konzept, daher wurde dieses Konzept ein wenig genauer betrachtet.
Generell wurde bei dieser vereinfachten Analyse nur die drehende Kurbelwelle betrachtet, und andere Teile des Motors vernachlässigt (wie z.B. die Kupplung Getriebewellen usw.) andernfalls würde eine Doktorarbeit aus diesem Artikel werden. Bei der genaueren Betrachtung des Trägheitsmoments der Kurbelwelle spielt die sogenannte Präzession eine Rolle, anbei ein Youtube Link zur Erklärung. http://www.youtube.com/watch?v=8H98BgRzpOM Einfach anschauen und staunen, also die Kurbelwelle erzeugt kein richtiges Gegenmoment, sondern ein Gegenmoment, das um 90° versetzt angreift, daher dreht sich das einseitig aufgehängte Rad im Kreis und fällt nicht runter. Zum Ausprobieren und evtl. Verstehen eignet sich wunderbar eine Flex (Winkelschleifer) mit abmontierter Scheibe, ich hab es probiert, um zu verstehen, was sich wohin bewegt oder nur widerwillig bewegen will. Ich habe das Moment mal berechnet, um einen ungefähren Anhaltswert zu bekommen.
Die Randbedingungen: in 1 Sekunde um 35 ° neigen (Kurvenfahrt).
Das Ergebnis kompakt erklärt:
Man benötigt 16 Kg am Lenker um das Motorrad umzulegen, und nur 3 Prozent davon um die Kurbelwelle zu schwenken, das bedeutet der Einfluss der Kurbelwelle ist gering. Dass sich die Husaberg tatsächlich sehr handlich anfühlt, war ich vom Ergebnis überrascht, nach mehrfacher Überprüfung von fachkundigen Physikgenies, war aber kein Fehler zu finden.
Nach weiterer Suche ergab sich die Erkenntnis, dass nicht zwingend die Lage der Kurbelwelle das Gelbe vom Ei ist, sondern vielmehr das Trägheitsmoment vom gesamten Motor bzw. vom gesamtem Motorrad. Ein Motorrad mit dem gleichen Eigengewicht, aber einer geringeren Trägheitsmasse (alle schweren Bauteile so nahe im Motorradschwerpunkt wie möglich). Wenn man die Husaberg mit einer konventionellen KTM vergleicht, sieht man, dass der Husaberg-Motor viel näher im Motorradschwerpunkt baut und ebenso der Großteil vom Tank nicht wie üblich über dem Motor sitzt, sondern genau im Motorradschwerkpunkt beim Federbein und über der Schwingenachse.
Die Kurbelwellenlage hat nur indirekt mit der Sache zu tun, denn wenn Sie im Motorradschwerpunktnähe sitzt, hat der Motor bzw. das Motorrad automatisch ein geringeres Trägheitsmoment.
Die Husaberg lässt sich durch das geringe Trägheitsmoment leicht um Kurven lenken, spielerisch whippen und scrubben. Der Hauptgrund für die Handlichkeit der Husaberg ist das kleinere Trägheitsmoment bzw. die Anordnung der schweren Komponenten im Zentrum. Zur Veranschaulichung des Trägheitsmoments ein Beispiel:
Grundsätzlich ist das Optimum immer ein Kompromiss aus vielen Bausteinen, wenn man das ultimative Package Konzept mit sehr kleinem Trägheitsmoment gefunden hat, bedeutet das nicht automatisch, dass das Motorrad perfekt ist. Bei der 70° Husaberg gab es Stimmen, die zu wenig Druck am Vorderrad bemängelten, ein Mitbringsel der zentral angeordneten Massen. Ein hoher Motorradschwerpunkt lässt ein Motorrad leicht um Kurven biegen, wobei zu hoch wieder wackelig wird (als Bsp. eine vollgetankte und bepackte Reiseenduro), wenn man das leichte Einlenken wieder stoppen will.
Somit lässt sich feststellen, dass die Husaberg garantiert eines der wendigsten Big Bikes im Enduro Markt ist (war), durch den ungewöhnlich aber genial verschachtelten Motor, aber nicht automatisch perfekt in jeder Hinsicht (Radlasten Vorne-Hinten, Motoraufhängung im Rahmen, Auspuffkrümmerführung,…..)
Diese vereinfachte Analyse des Kurbelwellenschwerpunktes auf die Wendigkeit hat ihr Tendenzen aufgezeigt, wobei hier das Augenmerk nur auf 1 Zylinder Motoren gerichtet wurde, bei 4 Zylinder Straßenmotorrädern sieht das Ganze schon wieder anders aus.
Wenn man diese Analyse wissenschaftlich betrachten möchte, mit den Kreiselkräften der Präzession, allen drehenden Teilen im Motor und vor allem mit den sich drehenden Rädern, wird die Sache richtig kompliziert.
Text: Thomas Weberbauer Fotos: KW
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