ARD-Komödie „Werkstatthelden mit Herz“

2022-07-15 21:24:51 By : Ms. Sunny .

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Futter für vergangene Helden: Carlo (Armin Rode) füttert seine Schildkröte Adenauer. Bild: ARD

Die Figuren wirken kernig, das Setting scheint wie geschaffen für echte Dramen. Doch der ARD-Komödie „Werkstatthelden mit Herz“ geht mit dürftigem Plot und austauschbaren Motiven die Puste aus.

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„Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix.“ Das wusste schon der in Handwerkerhumor beschlagene Brösel. Und ein Schrauber, der nicht schraubt? Hat bald selbst Schrauben locker. Auf den ersten Blick scheint der famose Armin Rohde alias Werkstattbesitzer Carlo zwar bestens zu Brösels deftigen „Werner“-Comics zu passen – Werners Leidenschaften sind ja dokumentierter Weise Bier und Biken –, aber trotz einer herrlich bröseligen Werkstatthalle, beinharter Grillwursternährung und dreieinhalb bölkstoffseligen Mitarbeitern ruht in Carlos museal anmutender Meisterwerkstatt die Ratsche, schweigt der Winkelschleifer. Flugrost gleich hat sich Schwermut auf Carlo und seine Kerls gesenkt. Die Lage ist so bescheiden wie das Jubiläumsständchen der Autoschrauberehefrauen.

Dass wir auf fachmännisches Fricklereinmaleins verzichten müssen, ist schade (kaum etwas generiert so viel Komik wie Expertentum), erklärt sich aber durch die maue Auftragslage: Neue Autos sind elektronikverseuchte Wegwerfware. Außerdem war es so ja schon im Drehbuch von Gerard Meuldijk und Martin van Waardenberg, das im Jahr 2012 Diederick Koopals in den Niederlanden sehr erfolgreichem Film „De Marathon“ zugrunde lag. Vier mittelalte Mechaniker lassen sich darin zu einem Marathon hinreißen, weil sie damit dank eines Sponsors ihre Steuerschuld begleichen und sich nebenbei endlich wieder heroisch fühlen können.

Obwohl ein nicht ganz unähnliches Rührstück schon ein Jahr später hierzulande ins Kino kam, als Dieter Hallervorden „Sein letztes Rennen“ lief, schien es nun nötig, auch „De Marathon“ noch einmal zu verfilmen. Ganz wie Didi taumeln also unsere vier Bierbäuche – man hat den Einsatz noch einmal kräftig erhöht, vor allem im Falle Carlos, dem der Arzt nach einem Herzklabaster bescheinigt, jeder Sport jenseits von Angeln sei für ihn lebensgefährlich – mit viel Selbstüberwindungspathos der Ziellinie beim Berlin-Marathon entgegen. In diesem Fall sponsert das benachbarte Fitnessstudio den Lauf, wobei dessen reichlich halunkiger Chef (Hasan Ali Mete) ein Auge auf Carlos Halle geworfen hat: Sie fällt ihm zu, sollte nur einer der vier nicht ins Ziel gelangen. Es versteht sich, dass auch im Buch von Sathyan Ramesh allerlei Lebenskrisen weggejoggt werden: Becker (Heiko Pinkowski) muss sich selbst und seine Frau den Depressionen entreißen, Roger (Tim Kalkhof) trägt schwer an einem verpassten Coming-out, und Köll (Karsten Antonio Mielke) ist auf ein Boxenluder hereingefallen. Vor allem Carlo aber steht vor den Ruinen seines Lebenstraums; der eigene Sohn nennt ihn einen „Loser“.

Regisseur Lars Montag, der mit „How To Sell Drugs Online (Fast)“ eine großartig irrlichternde Coming-of-Age-Komödie geschaffen hat, macht auch in dieser Going-of-Youth-Tragikomödie einen guten Job: Die Figuren wirken kernig, das Setting von der Steampunk-Atmosphäre der Werkstatt bis zu Carlos urigem Wohnhaus scheint wie geschaffen für echte Dramen. Nur irrlichtert hier leider nichts. Es liegt am denn doch allzu dürftigen Plot und seinen austauschbaren Motiven. Die ersten zehn Kilometer seien locker, die nächsten zehn hart, doziert der im Rollstuhl sitzende Trainer, der zukünftige Azubi Moah (Eugene Boateng): „Bei dreißig kackt ihr ab, da setzt es aus, die restlichen zwölf, die packt ihr nur mit Spirit.“ Das lässt sich ohne große Verrenkungen auf den Film selbst beziehen, der sehr schnell in der dritten Phase ankommt, es aber nicht bis zum Spirit schafft.

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Warum die Werkstatt überhaupt gerettet werden muss, ist nicht ganz klar, wird die Auftragslage doch kaum rosiger werden. Die vielen Trainingssequenzen, die spätestens seit den „Rocky“-Filmen zu einer solchen Wir-schaffen-das-Saga gehören, hier aber ohne Pointe bleiben, sind für die Zuschauer kaum weniger quälend als für die ausgelaugten Walrösser in ihren – auch das füllt eine ganze Szene – brandneuen Laufschuhen. Die privaten Probleme wiederum wirken so unkreativ angedichtet, dass die Figuren (oder ihre vortrefflichen Darsteller) sie zu Recht nicht ganz ernst zu nehmen scheinen. Am tragischsten ist noch der langsame Suizid von Carlos Schildkröte, am hintersinnigsten ihr Name: Adenauer.

Man hätte sich wohl entscheiden müssen: entweder echte Authentizität und Tragik, auf die es die Märchenerzählung sichtlich nicht abgesehen hat, oder eine gute Portion grotesk-anarchischer Wahnsinn. Nach 42,195 Kilometern rührender Gutherzigkeit ergreift einen hier jedenfalls eine fiese Sehnsucht nach Werners Chopper, der volles Rohr durch Fäkalschlamm pflügt.

Werkstatthelden mit Herz läuft an diesem Freitag um 20.15 Uhr im Ersten.

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Wettlauf der Schildkröten: Die ARD-Komödie „Werkstatthelden mit Herz“

Die Figuren wirken kernig, das Setting scheint wie geschaffen für echte Dramen. Doch der ARD-Komödie „Werkstatthelden mit Herz“ geht mit dürftigem Plot und austauschbaren Motiven die Puste aus.

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